Reisebericht meiner Wanderung auf dem europäischen Fernwanderweg E1 und der GTA im Sommer 2014. Im ersten Teil berichte ich von der Entstehung der Idee und meiner Vorbereitung.
- Teil 1: Die Planung
- Teil 2: Von Detmold zum Diemelsee
- Teil 3: Vom Diemelsee nach Bad Marienberg
- Teil 4: Von Bad Marienberg zum Großen Feldberg / nach Darmstadt
- Teil 5: Von Darmstadt in den Kraichgau
Die Idee
Ich glaube, der Wunsch zu Fuß von Hamburg aus die Alpen zu erreichen und anschließend zu erwandern, erwuchs auf einer Zugfahrt aus dem italienischen Piemont zurück nach Hamburg.
Ich befand mich auf der Rückfahrt von einer mehrtägigen Wanderung im Piemont in den italienischen Alpen. Wie falsch es sich doch anfühlte, mit rasender Geschwindigkeit durch das Land zu jagen, nachdem man noch kurz zuvor jeden Schritt der Reise aus eigener Kraft und mehr oder weniger bewusst getan hatte. Wie würde es wohl sein, diese große Distanz ebenso zu Fuß zu überbrücken und die vielen Landschaften, Ortschaften und Menschen auf dem Weg dorthin kennenzulernen. Überhaupt: Wie hängen die unterschiedlichen Regionen eigentlich zusammen? Wie nimmt man Veränderungen an Mensch und Natur zwischen Elbe und Norditalien wahr?
Im Sommer 2014 wollte ich mir den Traum von einer solchen Wanderung erfüllen. Es sollte direkt von meiner Haustür losgehen und nach Möglichkeit bis zur "Grande Traversata delle Alpi (GTA)" führen, dem wunscherschönen alpinen Wanderweg, dem ich in den letzten Jahren immer wieder begegnet bin und der sich zu einem echten "Sehnsuchtsweg" entwickelte.
Was bietet sich dafür besseres an als der europäische Fernwanderweg E1, der von Norden kommend über Hamburg bis nach Italien führt und dort unweit der GTA-Einstiegsetappe verläuft? Ein wenig haderte ich anfangs mit dem Umstand, dass ich Teile des E1 zuvor schon gelaufen war: Als Kind gemeinsam mit meiner Mutter von Flensburg bis ins Sauerland, als junger Erwachsener auf dem Westweg im Schwarzwald und auf den schweizer Etappen zwischen Vierwaldstättersee und Airolo.
Allerdings bot mir der E1 neben dem ansprechenden und einigermaßen direkten Wegverlauf in Richtung GTA auch die Möglichkeit, es meiner Mutter nachzutun und "ihrem" E1, dem sie von Flensburg bis zur italienischen Grenze gefolgt ist ebenfalls kennenzulernen. Und sollte ich zeitlich zu sehr in "Verzug" kommen, könnte ich die mir bereits bekannten Abschnitte notfalls überspringen.
Die Route stand also fest.
Die Planung
Insgesamt hatte ich mir drei Monate frei genommen, bzw. mich für drei Monate aus meiner selbständigen Berufswelt abgemeldet. Es galt also, die Etappen so auftzuteilen, dass ich innerhalb dieses Zeitraums auf dem E1 bis über den Gotthardpardpass komme und noch etwas Zeit für die in der nähe startende GTA übrig hätte.
Mir war anfangs etwas mulmig zumute für einen so langen Zeitraum alleine unterwegs zu sein, aber insgesamt überwog die Vorfreude darauf und die Gewissheit unterwegs sicher ein paar interessante Menschen kennenzulernen. Außerdem ergaben sich während der Planung schnell Möglichkeiten, mich unterwegs mit Freunden und Familie zu treffen: Im Schwarzwald wollte mich meine Freundin für eine Woche begleiten, am Bodensee hatte ein Teil meiner Familie zufälligerweise zu einem günstigen Zeitpunkt ein Ferienhaus gemietet und im schweizerischen Airolo wollte mein "Bergfreund" Georg dazustoßen. Gemeinsam wollten wir von dort "unsere" GTA in Angriff nehmen.
Schöne Aussichten, die Wanderung nicht ganz alleine verbringen zu müssen, allerdings auch Verpflichtung an bestimmten Daten an bestimmten Orten zu sein. Ein zeitlicher Druck, den ich mir eigentlich nicht auferlegen wollte. Denn um "alles unter einen Hut" zu bekommen, musste ich schon einen ordentlichen Kilometerschnitt erreichen und durfte nicht allzu sehr von meinem groben Etappenplan abweichen.
Für die grundlegende Planung lieh ich mir "den Krause" Wanderführer Jahrgang 1987 meiner Mutter. Auch wenn sich am Wegverlauf so manches geändert hatte, bot mir das Buch doch zumindest eine grobe Orientierungshilfe in Bezug auf den E1. Einen etwas detallierteren Wegverlauf ermöglichte mir ein frei verfügbarer GPX-Track (der sich dann leider doch als recht ungenau, bzw. falsch herausstellte) in Kombination mit der GPS-Planungssoftware "Base Camp" von Garmin. Hier findest Du ein paar Infos zur Etappenplanung mit GPX-Tracks.
Ich erstellte mir einen groben Tourenplan, nach Möglichkeit mit Etappenlängen von 25-30 km, am Anfang eher kürzer. Um Kosten zu sparen, mehr Zeit in der Natur verbringen zu können und flexibler bei der Unterkunftssuche und Etappengestaltung zu sein, entschied ich mich ein kleines Zelt mitzunehmen. Zusätzlich recherchierte ich günstige Unterkünfte wie Jugendherbergen. Auf Papierkarten wollte ich aus Gewichtsgründen zumindest für den deutschen Teil weitgehend verzichten und mich auf ein GPS-Gerät, bzw. als Backup mein Smartphone verlassen. Mehr zum Thema habe ich in dem Blogpost "Wegfindung auf dem E1: GPS vs. Wanderkarte auf Papier" geschrieben.
Bevor es endlich losging, galt es eine vernünftige Packliste zu erstellen. Ich entschied mich, für den alpineren Teil des E1 und die anschließende Hüttentour auf der italienischen GTA den Großteil meiner Ausrüstung zu wechseln. Ich wollte auf leichteres Gepäck ohne Zelt und mit festerem Schuhwerk umzusteigen. Das Alpengepäck schickte ich vor Abreise zu meiner Schwester nach Konstanz.
Meine Packliste
Rot markiert: Gegenstände, die ich im Verlauf der Reise aussortiert und wieder nach Hause geschickt habe
Blau markiert: Gegenstände, die ich für den Alpenteil aussortiert habe
Grün markiert: Gegenstände, die ich für den Alpenteil ergänzt habe
- Rucksack Flachland / Mittelgebirge: Deuter 60+15L
- Rucksack Berge: Deuter 40+10L
- Trinksystem
- 2x Unterhosen
- 1x kurze Hose
- 1x lange Hose
- 1x Windjacke Softshell
- 1x Fleecejacke
- 3 Paar Socken
- 1 kurzärmeliges Hemd
- 1 langärmeliges Shirt (Merinowolle)
- Regenjacke
- Regenhose
- Handschuhe
- Mütze
- Scarf
- Alubecher
- Kochgeschirr
- Gaskocher
- Besteck
- Taschenmesser
- Stirnlampe
- Alu-Wanderstöcke
- kleines Erste-Hilfe-Set
- Kulturbeutel (Plastik-Zip-Beutel) mit Zahnpasta, Shampoo, Sonnencreme etc. in Probiergrößen
- Badelatschen
- Ultraleichtzelt (ca. 880 Gramm)
- Isomatte
- Schlafsack
- Notizheft + Stift
- GPS-Gerät + Ladekabel
- Smartphone (in wasserdichtem Case)
- Ersatzbatterien
- Ersatzakku (mini-USB)
- Plastik-Zip-Beutel für Wertsachen
- Notbiwak
Alles zusammen ergab ca. 13 Kilo, das Alpengepäck lag bei ca. 8 Kilo (im Rucksack, ohne Wasser und Lebensmittel)
Körperliche Vorbereitung...
...zeichnete sich primär durch ihre Abwesenheit aus. Gerne hätte ich mit dem geplanten Gepäck mehrere längere Probewanderungen unternommen, um herauszufinden, was ich ausrüstungstechnisch brauche und mich körperlich zumindest ein bißchen auf die kommende Belastung vorzubereiten. Leider ist genau das Gegenteil der Fall gewesen. Um meinen noch offenen beruflichen Projekte zufriedenstellend abschließen zu können verbrachte ich eher ungewöhnlich viel Zeit auf meinem Bürostuhl als an der frischen Luft.
Die einzige "Probewanderung" mit Gepäck, bei der ich meine neuen Bergschuhe zumindest schon ein bißchen einlaufen wollte, entwickelte sich eher zu einem Rückschlag: Es ist ganz offensichtlich keine gute Idee untrainiert mit schwerem Gepäck, neuen, für lange Distanzen eher ungeeigneten Schuhen eine 30km+ Etappe anzugehen. Sowas kann man sicherlich vorher wissen, ich bin in solchen Sachen aber leider eher sturköpfig. Und so war meine für zwei Tage angelegte Reise bereits am nächsten morgen beendet, da mit meinen neuen, schmerzhaften Freunden - zwei riesigen Blasen - nicht an Weiterlaufen zu denken war.
Auch an den kommenden Tagen sollte ich noch was davon haben. Natürlich sorgte die Tatsache, dass ich eine dreimonatige Wanderung plante, aber meinen Test bereits nach einem Tag abbrechen musste für einigen Spott in meiner (ansonsten sehr netten) Bürogemeinschaft.
Es geht los
Je näher das geplante Abreisedatum, der 01. Juni 2014 rückte, desto klarer wurde mir: Das wird nichts - zumindest nicht so wie geplant. Ich brauchte mindestens eine weitere Woche, um guten Gewissens meine Arbeit ruhen zu lassen. Auch bereitete mir meine mangelhafte Vorbereitung einige Kopfschmerzen und ich befürchtete viel zu "straff" geplant und zu wenig Pausentage einkalkuliert zu haben. Vor allem mit der letzten Annahme lag ich auch richtig, wie sich noch herausstellen sollte.
Schweren Herzens entschloss ich mich den Plan von meiner Haustür in Hamburg bis in die Alpen zu laufen, aufzugeben und mir einen neuen Einstieg weiter südlich zu suchen. Ich dachte mir: "Lieber den Zeitdruck aus der Reise nehmen als krampfhaft am ursprünglichen Plan festhalten". Die norddeutsche Tiefebene reizte mich jetzt nicht sooo wahnsinnig. Der E1 von Hamburg bis in die Nordheide ist mir weitestgehend bekannt und für meine Probewanderung hatte ich bereits die erste komplett "unbekannte" Etappe von Soltau nach Müden gewählt. Den Teutoburger Wald wollte ich auf jeden Fall durchqueren. Die Wahl für den neuen Startort fiel schließlich auf Detmold.
Früh am morgen des 08. Juni 2014 war es dann endlich soweit. Ich setzte mich schwer bepackt und aufgeregt in den Zug in Richtung Detmold, wo ich am Vormittag mit strahlendem Sonnenschein empfangen wurde. Meine Wanderung auf dem E1 in die Alpen konnte beginnen.
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