Im März 2017 habe ich gemeinsam mit meinem Freund Georg eine Wanderung auf dem neu eröffneten Abschnitt des E1 auf Sizilien unternommen. In einer Woche haben wir dabei eine äußerst abwechsungsreiche Wanderung genossen und einige interessante Bekanntschaften gemacht.
Normalerweise gehe ich mit meinem "Bergfreund" Georg im Sommer in den Alpen wandern - in den letzten Jahren vor allem auf der GTA im Piemont. Da mir dies in diesem Jahr nicht möglich sein wird, haben wir nach einer Region gesucht, in der bereits im März in der Höhe gewandert werden kann. Und idealerweise natürlich auf dem E1, den ich gerne in Italien näher kennenlernen wollte. Nach einigem Hin und Her fiel unsere Wahl schließlich auf den im Vorjahr neu eröffneten Abschnitt auf Sizilien. Ich war ohnehin gerade mit den Verantwortlichen in Kontakt, um Information für die Seite zu recherchieren (mehr zum E1 auf Sizilien findest Du hier).
Etwas Sorgen bereiteten mir die Nachrichten von der zunehmenden vulkanischen Aktivität des Ätna. Bei einer Explosion am Krater waren gerade erst Menschen verletzt worden und ich hatte doch ein mulmiges Gefühl mehrere Tage auf und an einem derart aktiven Vulkan zu verbringen. Nach Rücksprache mit einem der Verantwortlichen wurde mir jedoch mitgeteilt, dass kein Anlass zur Sorge bestünde. Also weiter nach Plan.
Tag 1 - Endlich auf Sizilien
Nach einiger Recherche (Gibt es Übernachtungsmöglichkeiten? Ja. Brauchen wir ein Zelt? Nein. Brauchen wir einen Schlafsack? Ja.) geht es am 21. März endlich los. Nach nur drei Stunden Flugzeit stehen wir im von Hamburg fast 2.000 Kilometer entfernten Catania. Der rauchende Ätna grüßt uns bereits aus der Ferne. Wir fahren mit dem Bus zum Bahnhof und laufen von dort zur Station "Borgo", von wo wir mit dem Zug weiterreisen wollen. In den Straßen Catanias stehen Bäume mit reifen Orangen, die Luft ist fast sommerlich warm. An der Station Borgo wartet schon der kleine Bummelzug der "Ferrovia Circumetnea" nach Randazzo. Er benötigt für die ca. 70 Kilometer lange Eisenbahnstrecke auf die andere Seite des Ätna knapp zwei Stunden. Genau das richtige Tempo, denn es gibt unterwegs viel zu sehen. Vorbei an Siedlungen und Gärten tauchen bereits erste Lavafelder auf. Wirkte der Ätna von Süden aus fast schneefrei, zeigt sich immer mehr, dass es im Westen und Norden des Berges ganz anders aussieht und auch Schnee auf unserem Weg zu erwarten sein wird. Die Bahn schraubt sich langsam in die Höhe und kommt dabei dem Vulkan immer näher. Auf der gegenüberliegenden Seite bieten sich prächtige Panoramen auf die umliegende Landschaft. Es geht nun durch riesige Lavafelder, die die Zerstörungskraft des Vulkans erahnen lassen und ich frage mich, wie es ist in dessen unmittelbarem Einflußbereichs zu leben.
Nach kurzweiliger Fahrt erreichen wir am frühen Abend Randazzo, wo wir im "B&B Edelweiss" Quartier beziehen. Nach einem kurzen Stadtrundgang machen wir in einer Bar erste Bekanntschaft mit dem lokalen Wein und im Restaurant La Bifora mit der lokalen Küche. Satt und voller Vorfreude auf unsere Wanderung gehen wir zu Bett. Für den nächsten Morgen sind wir mit Francesco von Sicily Green Sports verabredet, der für die Markierung des E1 in den Monti Nebrodi verantwortlich ist, in denen unsere Wanderung beginnt. Er wird uns zum Ausgangspunkt des Weges fahren (es gibt dorthin leider keinen öffentlichen Nahverkehr) und uns während der ersten Etappe begleiten.
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Tag 2 - Argimusco - Malvagna
Unser typisch italienisches Frühstück bestehend aus einem Cappuccino und einem gefüllten Croissant nehmen wir in einer benachbarten Bar. Kurz darauf nimmt uns Francesco in Begleitung des österreichischen Auswanderers Attila in Empfang. Wir fahren über kurvige Straßen immer höher in die Monti Nebrodi. Während der Fahrt erfahren wir bereits einiges über die uns umgebende Landschaft. Am Parkplatz vor den Rocche Argimusco stellen wir das Auto ab und machen einen Rundgang durch die beeindruckenden Felsen, die einzeln oder in kleinen Gruppen auf einem Hochplateau stehen. Attila, der Trekkingtouren zu Pferd anbietet und Pferde trainiert, erzählt voller Begeisterung von der Natur in der wir uns gerade bewegen und liefert einige Interpretationsmöglichkeiten in Bezug auf die Form der Felsen. Was für ein toller Start des Weges. Von hier bietet sich ein phantastischer Blick auf den Ätna und die Monti Peloritani. Bei klarer Sicht soll auch das Meer zu sehen sein.
Während wir zwischen den Felsen umherschlendern berichtet Francesco ein wenig von der planerischen Arbeit am E1. Von den Überlegungen bezüglich der Streckenführung und den Problemen die dabei immer wieder auftauchen. Es muss oft ein Kompromiss gefunden werden, denn nicht immer kann der Weg so gelegt werden, dass er den ansprechendsten Verlauf nimmt. Das Markieren und Ausweisen von Wanderwegen ist auf Sizilien noch ein ziemliches Novum und es muss oft noch viel Überzeugungsarbeit bei Kommunen und Pächtern geleistet werden.
Bei angenehmem Frühlingswetter erreichen wir nach wenigen Kilometern den Eingang des Malbotta-Waldes. Attila ist mittlerweile zum Auto zurückgekehrt und Francesco weist mich darauf hin, dass der E1 streng genommen erst hier am Eingang des Waldes anfängt. Denn hier wird der in Planung befindliche nördliche Wegabschnitt aus den Monti Peloritani anschließen. Von nun an ist der Weg als E1 markiert.
Der Malbotta-Wald besteht überwiegend aus Steineichen, die gerade erst ihr Laub verloren haben. Er gilt als ältester Wald Siziliens. Obwohl hier und da schon einige Blumen blühen, macht der Wald noch einen eher herbstlichen Eindruck. Es ist leicht sich vorzustellen, dass im Hochsommer der Schatten dieser Bäume den Wanderern ziemlich willkommen ist. In leichtem Auf und Ab geht es weiter, am Rocca Voturi (1.325m) bietet sich erneut ein toller Blick auf die umliegenden Berge. Ein idealer Ort für eine kleine Rast.
Für den Abstieg wählen wir eine von Francesco vorgeschlagene Alternative, die uns auf den Rücken mehrerer Berge abwärts nach Malvagna führt. Unsere untrainierten Flachlandbeine kommen ganz schön ins Schlottern auf den teils steilen Abstiegen, aber die Mühen werden belohnt. Von blumenübersäten Berghängen bietet sich ein toller Blick auf den Ätna, das Alcantara Tal, Malvagna und den Monte Mojo, einem einzelnstehenden Vulkankrater knapp unterhalb des Dorfes. An den Hängen sind noch die Reste der ursprünglichen landwirtschaftlichen Nutzung zu erkennen. Die halb verfallenen Steinmauern unzähliger, mühevoll angelegter Terrassen schmiegen sich an die steilen Hänge.
In Malvagna angekommen lassen wir uns verschwitzt vor einer Bar nieder und stillen unseren Durst mit einem kühlen Bier. Der Ort macht einen äußerst freundlichen und lebendigen Eindruck. Auf die Piazza schreiten die Leute in angeregten Gesprächen auf und ab. Unsere Unterkunft, das Arco dei Sogni liegt nur wenige Meter entfernt und auch eine Trattoria (am besten anmelden, wenn man dort abends essen möchte) liegt genau gegenüber. Was will man mehr nach einem schönen Wandertag? Francesco gibt uns noch ein paar Tipps für die morgige Etappe und macht sich wieder auf den Weg.
Wir genießen den Abend in Malvagna mit einigen kulinarischen Annehmlichkeiten und versuchen uns mit unseren extrem bruchstückhaften Italienischkenntnissen in der Konversation auf der Piazza.
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Tag 3 - Malvagna - Castiglione di Sicilia
Um 8 Uhr morgens schallen laute Melodien durch das B&B. Ich erinnere mich, dass der Sohn unseres Gastgebers, Ignazio am Abend zuvor von seiner Leidenschaft für traditionelle Musik erzählte und uns eine kleine Kostprobe für den Morgen versprochen hatte. Im Frühstücksraum steht er nun mit seiner "Ciaramedda", einer Art Dudelsack. Ein richtiges kleines Privatkonzert. Es folgen weitere Stücke auf dem Akkordeon und einer Maultrommel. Seine Mutter hat ein tolles Frühstück gezaubert. Sie leistet uns Gesellschaft und betrachtet dabei ihren weiter munter musizierenden Sohn voller Stolz.
Gut gestärkt folgen wir wenig später der kleinen Hauptstraße durch Malvagna in Richtung Tal. Zwischen frühlingshaft blühenden Gärten folgen wir dem Weg, bis ein kleiner Pfad zu einem Ausflug auf den Monte Mojo einlädt. Da die Etappe heute eher kurz ist zögern wir nicht und stehen wenig später auf dem Kraterberg, der einen eigenständigen Vulkan darstellt. Oben bietet sich ein 360-Grad Panorama auf die Monti Nebrodi und Malvagna, das Alcantara-Tal mit den Tagesziel Castiglione und dem Ätna. Nach insgesamt 45 Minuten sind wir zurück auf dem E1. Es geht auf einer Straße weiter bergab. Wir unternehmen auf Empfehlung von Francesco einen weiteren Abstecher, diesmal zu der ersten von zwei "Cuba Byzantina", Kapellen aus dem 7. Jahrhundert.
Zurück auf dem E1 geht es nun quer durch die Ortschaft Mojo Alcantara. Hinter einer Brücke stoßen wir wieder auf Markierungen und folgen einer weiteren (kaum befahrenen) Straße nach Osten. Hier bekommen wir einen ersten Eindruck des zerstörerischen, aber auch schöpferischen Potentials des Ätna. Auch wenn es überall grünt und blüht ist deutlich der vulkanische Ursprung des Areals erkennbar. Nach ca. 1,5 Kilometern biegt der Weg auf eine Schotterpiste ab, die äußerst malerisch durch wilde Landschaften, aber auch durch landwirtschaftlich genutzten Flächen und Gärten führt.
Das sich auf einen Bergrücken auftürmende Castiglione di Sicilia ist nun nicht mehr weit. Aber bevor wir ankommen gilt es noch einen weiteren "Cuba Byzantina" zu besichtigen, der dieses mal direkt am Weg liegt. Nur ca. 200 Meter weiter rasten wir auf Felsen im Flussbett des Alcantara, der sich hier teilweise tief ins Gestein gefressen hat und laut brausend zwischen den Felsen tanzt. Was gibt es schöneres, als hier ein Sonnenbad zu nehmen und die Füße in dem kalten Fluss zu baden?
Von nun an bleibt der Weg in unmittelbarer Nähe zum Fluss und erreicht schließlich Castiglione di Sicilia. Ein kurzer Abstecher ins "Le Terre di Castel Leone", eine Art private Natur- und Freizeitanlage in der auch Lebensmittel angebaut werden und in der ab 2018 auch gezeltet werden kann führt leider dazu, dass wir auf dem falschen Weg in den Ort hinaufsteigen. An Stelle des von Francesco als sehr schön angekündigten Aufstiegs kämpfen wir uns auf einem steilen Pfad durch dornigen Bewuchs. Total verschwitzt erreichen wir Castiglione. Die Häuschen stehen eng verschachteln beieinander und türmen sich in die Höhe. Auch unsere Unterkunft, das Albergo Diffuso Borgo Santa Caterina ist über mehrere Ebenen und Gebäude verteilt. Hoch über dem Ort thront eine Festungsanlage.
Wurden wir in Malvagna noch äußerst freundlich in der Bar empfangen, fühlen wir uns hier zunächst eher skeptisch beobachtet. Ein alter Mann steht direkt auf und setzt sich um, als wir uns in seine Nähe setzen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass hier 1943 SS-Angehörige ein Massaker an der Zivilbevölkerung verübt haben - wir wissen es nicht.
Es ist leicht, sich in den verwinkelten Gassen zu verlaufen, aber ein Stadtbummel lohnt allemal. Von der Festungsanlage bietet sich erneut ein wunderbarer Fernblick. Ein Versuch den verpassten Aufstieg des E1 zu finden und ein Stück darauf zurück zu gehen scheitert an einem laut bellenden Hund und einem unruhig schnaubendem Pferd, die den Weg versperren. Nach einem guten Essen und einem erneuten Treffen mit Attila im La dispensa dell'Etna gehen wir zu Bett.
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Tag 4 - Castiglione di Sicilia - Rifugio Ragabo
Da es im Ort keine Markierungen gibt, folgen wir dem GPX-Track auf unserem Handy durch den Ort. Dabei stellen wir verwundert fest, dass Castiglione deutlich größer und lebendiger ist, als es am Abend zuvor den Eindruck gemacht hatte. In einem kleinen, freundlich geführten Alimentari kaufen wir Proviant für die nächsten Tage. Der Weg schlängelt sich auf einer Straße aufsteigend aus dem Ort. Schließlich erreichen wir eine T-Kreuzung und müssen entscheiden, welchen Weg wir gehen wollen. Laut GPS biegt der E1 hier links ab in Richtung Linguaglossa. Da uns dieser Weg jedoch etwas zu weit erscheint (was aber vermutlich nicht der Fall ist, denn wir kommen insgesamt deutlich schneller voran als geplant), folgen wir dem rechts abbiegenden - und auch markierten - Sentiero delle Ginestre. Wie sich später herausstellt, wird der E1 zukünftig wohl auch auf diesen Weg gelegt werden. Der linke Weg über Linguaglossa, der überwiegend auf einer stillgelegten Eisenbahntrasse über ein Viadukt und durch einige Tunnel führt soll zwar sehr lohnenswert sein, jedoch scheint es bürokratische Hürden zu geben. Aber auch der Sentiero delle Ginestre, auf dem wir nun unterwegs sind, weiß zu gefallen. Es geht durch überwiegend landwirtschaftlich genutztes Gebiet - an manchen Stellen haben wir den Eindruck man müsse nur die Augen ein wenig zukneifen um das Gefühl zu bekommen in Schleswig-Holstein unterwegs zu sein. Wären da nicht die Steigungen und der langsam näherkommende Vulkan...
Schließlich erreichen wir die Bahnstation Cerro, von wo aus eine staubige Straße schnurstraks durch ein großflächiges Lavagebiet zum Ätna hinaufführt. Eine unwirkliche, bizarre Welt. Nun haben wir wirklich das Gefühl an diesem beeindruckenden (und auf mich auch etwas bedrohliche wirkenden) Vulkan angekommen zu sein. Leider scheint hier auch mit Vorliebe illegal Müll entsorgt zu werden, aber nach ein paar Hundert Metern wird es etwas besser. Der Weg ist nun rot-weiß markiert, wenn auch nicht als E1. Im Sommer ist es sicherlich ratsam in dieser Gegend nicht zur Mittagszeit unterwegs zu sein, dann muss es hier unerträglich heiß sein. Hinter ein paar Gärten und Anbauflächen erreicht der E1 schließlich die Straße "Quota Mille", der wir nach rechts wenige hundert Meter folgen. Die Markierung weisen nun den Weg durch ein Gatter - es geht ein Stück über von Vieh genutzte Weiden. Die Gatter sollten daher unbedingt wieder verschlossen werden. Am anderen Ende der Weide öffnen uns die freundlichen Landwirte den Zaun und weisen uns den nun teils recht steilen und unwegsamen Pfad den Berg hinauf. Die Vegetation wird etwas höher und dichter und irgendwann geht es fast ausschließlich durch Wald. Wir wurden bereits im Vorfeld darauf hingewiesen, dass der Weg an einigen Stellen als "privat" gesperrt sein würde und folgen dem Ratschlag, diese Passagen links zu umgehen. Uns ist dabei nicht ganz klar, was es mit den Sperrungen auf sich hat. Vor allem dann, wenn hinter der Absperrung ein gut markierter Wanderweg verläuft und Wegweiser und Übersichtskarten aufgestellt wurden.
So schlagen wir uns etwas abseits des Weges durch den Wald, finden aber auch dank des GPS immer wieder problemlos zum Hauptweg zurück. Hin und wieder bietet sich ein schöner Blick zurück auf das Valle Alcantara. Kurz vor Erreichen unseres Tagesziels geht es durch einen leicht hügeligen Kiefernwald, dessen weich federnder Boden mit Nadeln bedeckt ist. Hier fühlen wir uns abermals unvermittelt an Deutschland erinnert. Ich fühle mich in die niedersächsischen Wälder der Nordheide versetzt, Georg ist gedanklich eher im Harz verortet. Aber spätestens der Hinweis auf die nahegelegene Grotta di Corruccio holt uns wieder nach Sizilien zurück. Von hier bietet sich erneut eine gute Aussicht. Da es aber in der Höhe doch recht frisch ist, rasten wir nur kurz uns erreichen wenig später das Rifugio Ragabo. Hier genießen wir die restliche Sonne des Tages und warten später am Kamin auf das Abendessen. Und das Essen ist - wie so oft auf unseren Wanderungen in Italien - sehr gut.
Am Abend diskutieren wir noch, ob wir einer Empfehlung Attilas folgen sollen am nächsten Morgen zunächst zum Monte Nero auf knapp 2.000 Metern aufzusteigen und dann von dort wieder zum E1, bzw. die Pista Altomontana hinabzusteigen. Auf Grund der unklaren Schneesituation entscheiden wir uns jedoch für den "konservativen" Weg auf dem E1.
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Tag 5 - Rifugio Ragabo - Rifugio Monte Spagnolo
Am Morgen erwerben wir Wasser und kleinere Snacks an der Bar des Rifugio. Es ist sonnig, aber im Schatten noch empfindlich kalt. Unsere Rucksäcke sind nun ein paar Kilo schwerer als an den Tagen zuvor, da wir heute Abend kein Trinkwasser werden vorfinden können und leider auch auf die italienische Küche verzichten müssen. Georg schimpft über das zusätzliche Gewicht - er hat sich in den letzten Jahren Stück für Stück zum Ultraleicht-Wanderer entwickelt. Ich bin dieses Mal eher schwerer bepackt als üblich - Kamera und diversen Ersatzakkus sei Dank.
Die Gedanken an die schweren Rucksäcke sind jedoch schnell verflogen, denn die Pista Altomontana erreicht hinter einem kurzen Waldabschnitt eine eindrucksvolle und bizarre Landschaft, die uns in ihren Bann zieht. Schwarze Lavafelder - Schneisen der Zerstörung - kombiniert mit einer tollen Fernsicht. Hier, auf ca. 1.500 Metern Höhe queren wir nun auch die ersten kleineren Schneefelder, die jedoch keine Probleme bereiten. Von Zeit zu Zeit ist die Gipfelregion des Ätna sichtbar, eine weißgraue Rauchfahne steigt gemächlich in den Himmel. So schön und eindrucksvoll die Landschaft auch ist, auch hier zeigt sich deutlich das zerstörerische Potential des Berges. Ich habe tiefen Respekt vor diesem Vulkan, der mir deutlich macht, wie unberechenbar die Natur sein kann. Mich beschleicht ein etwas mulmiges Gefühl, diesen Gefahren vollkommen machtlos ausgeliefert zu sein. Vermutlich ist statistisch gesehen mein Arbeitsweg auf dem Fahrrad durch den Verkehr Hamburgs deutlich gefährlicher als diese Wanderung auf dem aktiven Ätna. Doch rein theoretisch - wenn auch unwahrscheinlich - kann sich hier urplötzlich unter mir die Erde auftun und ein neuer Krater entstehen. Die unzähligen Nebenkrater zeugen von diesen Prozessen, die auch abseits des Hauptkraters eintreten können.
Die Vegetation besteht - soweit ich es beurteilen kann - überwiegend auch Kiefern, Steineichen und dem Ätna-Ginster. Der Weg steigt gemächlich auf und führt dabei immer wieder durch Wälder, in denen wir es zunehmend mit größeren Mengen Schnee zu tun bekommen und offenen Lavaflächen. Während es auf den offenen Flächen angenehm zu gehen ist - die Pista Altomontana ist überwiegend eine breite Schotterpiste - sind die Abschnitte im Schnee Kräfte raubend, da wir immer wieder unvermittelt einsinken. Kurz vor dem Passo dei Dammusi erreichen wir ein Hinweisschild auf die Grotta dei Lamponi, die etwas abseits des Weges liegt. Nachdem wir den Zugang gefunden haben, erkunden wir die Höhle ein wenig. Der Boden ist komplett vereist und spiegelglatt. Überall um uns taut und tropft es. Wenn ich es recht in Erinnerung habe, ist die Höhle mehrere hundert Meter lang, doch nicht alle Abschnitte sind so einfach zu erreichen wie der, in dem wir uns befinden.
Zurück am Tageslicht führt uns der E1 nun zum höchsten Punkt der heutigen Etappe, dem Passo dei Damussi auf 1.710 Metern. Kurz darauf erreichen wir das wunderschön und aussichtsreich gelegene Rifugio Santa Maria. Hier machen wir Bekanntschaft mit einem jungen Paar aus Schottland, die mit Mountainbikes unterwegs sind und eine mehrmonatige Tour durch Europa unternehmen. Wir tauschen uns ein wenig aus, erkunden die Hütte und legen eine Rast ein. Das Rifugio ist eine von mehreren unbewirtschafteten Schutzhütten auf der Pista Altomontana. Diese Hütten sind ganzjährig geöffnet sofern sie über 1.400 Metern Höhe liegen und verfügen in der Regel über Tisch, Bank, Kamin und Feuerholz. Manche verfügen außerdem über Zisternen, das Wasser ist jedoch nicht als Trinkwasser geeignet. Es gibt auch noch einige Hütten der Fortverwaltung, die aber in der Regel nicht offen sind.
Nach der Pause geht es nun überwiegend bergab. Nach ca. 2,5 Kilometern verlässt der Weg nach links die breite Piste und führt auf einem schmalen Pfad durch die pechschwarze Lava des Ausbruchs von 1981 - meinem Geburtsjahr. Ich packe einen Lavastein als Erinnerung ein - wann hat man sonst schon Gestein in der Hand, das so alt ist wie man selbst? Wenig später erreichen wir unser Tagesziel, das im Wald gelegene Rifugio Monte Spagnolo. Es ist noch früh am Tag und wir überlegen lange hin und her, ob wir bis zum Rifugio Monte Maletto weitergehen. Doch wir entschließen uns zu bleiben und den Nachmittag zum Faulenzen, Reinigen der Hütte und Sammeln von Feuerholz zu nutzen. Da es schon früh kalt wird, versuchen wir mit einem Feuer im Kamin den Raum zu erwärmen, während wir es uns draußen an einem zweiten Feuer an der Grillstelle gemütlich machen. Georg grillt seine Salami und sein Brot und behauptet das Ergebnis würde nach Pizza schmecken.
Ich checke hin und wieder den Tremor des Vulkans auf einer "Ätna-App", um mich zu vergewissern, dass der Vulkan keine Faxen macht. Absurderweise fühle ich mich hier weniger sicher als in der Nacht zuvor. Dabei ist der einzige Unterschied, dass diese Hütte unbewirtschaftet ist. Hin und wieder hört man ein Knallen, was mich beunruhigt - sich aber später als Geräusch aus dem Tal herausstellt. Es ist mir etwas peinlich, Angst vor dem Vulkan zu haben, aber Georgs Ruhe hilft mir, selbst zur Ruhe zu kommen und den Abend am Feuer zu genießen. Leider war unser Versuch, die Hütte zu erwärmen nur halbwegs erfolgreich und so kriechen wir in unsere Schlafsäcke. Nachts werde ich von knisternden Geräuschen geweckt. Ich habe Sorge, dass sich ein Tier über meine Lebensmittelvorräte hermacht, die ich in einer Plastiktüte auf dem Tisch liegen habe. Ich leuchte mit der Stirnlampe alles ab, doch finde nichts. Es folgt eine mittelmäßig erholsame und ziemlich kurze Nacht.
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Tag 6 - Rifugio Monte Spagnolo - Rifugio Piano dei Grilli
Der Wecker klingelt morgens um 5 Uhr. Wir wollen früh starten, um den Sonnenaufgang und die Morgenstimmung am Ätna zu erleben. Mir schmerzt der Rücken ein wenig vom harten Steinboden, doch schlimmer als das ist die Entdeckung, dass sich tatsächlich nächtlicher Besuch über meine Vorräte hergemacht hat. Eine Maus hat ein Loch in ein Fach an meinem Rucksack geknabbert und sich über die darin befindlichen Erdnüsse hergemacht. Aber wenigsten ist die Tüte mit dem Großteil der Lebensmittel auf dem Tisch verschont geblieben.
Es ist noch dunkel, als wir uns mit unseren Stirnlampen auf den Weg durch den Wald machen. Als wir die ersten freien Lavafelder erreichen, ist die Dämmerung bereits im Gange und wir können die Stille und morgendliche Atmosphäre genießen. Nach ca. 1,5 Stunden erreichen wir den Abzweig zum Rifugio Monte Maletto, welches einige hundert Meter abseits des Weges liegt, aus zwei Räumen besteht und sich ebenfalls gut zur Übernachtung geeignet hätte. Wir sind dem Krater nun so nah wie nie zuvor. Bei einer ersten Rast sehen wir die ersten wärmenden Strahlen der Sonne entgegen, die sich langsam über den Rücken des Ätna schiebt.
Es bieten sich traumhafte Ausblicke auf die umliegenden wolkenverhangenen Berge, die sich im dunstigen Morgenlicht mit bläulichen Silhouetten abzeichnen und die mit Schneefeldern gezeichnete Gipfelregion des Ätna. In der Ferne sind nun zahlreiche Kraterberge an dessen Flanke zu sehen, die teils bewachsen, teils pechschwarz oder rötlich sind.
Am Rifugio Monte Scavo, in dem ebenfalls (mit toller Aussicht auf Berg und Umgebung) übernachtet werden kann, teilt sich der E1. Laut Infoblatt verläuft der Hauptweg weiter auf der Pista Altomontana in südlicher Richtung und erreicht dabei eine Höhe von fast 2.000 Metern. Auf Empfehlung von Marco von "Etna E Dintorni" nehmen wir jedoch die Variante zum Piano delle Ginestre, die zwar eine Extraetappe bedeutet, von ihm aber als sehr lohnenswert beschrieben wurde. Und schon nach wenigen hundert Metern glauben wir zu verstehen, warum dies so ist. Wir laufen nun auf einem schmalen Pfad durch eine lockere Ansammlung von Kiefern, die auf dem feinen, tiefschwarzen Boden im Morgenlicht leuchten. Der sich windende Weg ist eine willkommene Abwechslung zur breiten Pista Altomontana und der Weg ist durchgängig gut als E1 markiert - was bisher am Ätna nicht der Fall gewesen ist. Die Markierungsarbeiten wurden zwischenzeitlich ausgesetzt, da sich die verschiedenen Organisationen noch besser untereinander abstimmen wollen, sollen aber in diesem Jahr fortgesetzt werden.
Da es immer noch Vormittag ist und wir bereits ein ganzes Stück der Etappe bewältigt haben, nehmen wir uns viel Zeit, die abwechslungsreiche Landschaft zu genießen und jede Menge Fotos zu machen. Der Weg windet sich durch offenere Lavaflächen und erreicht zwei riesige Löcher im Boden, die Grotta Dell'Angelo. Am Rande dieser Einöde erhebt sich der grün bewachsene Krater des Monte Egitto, den wir besteigen und umrunden. Mächtige alte Eichen im Bereich des Kraters zeugen davon, dass dessen Ausbruch schon eine ganze Weile zurückliegen muss.
Weiter geht es schnurstracks auf einem breiten Weg durch die Lava von 1843, bis der Weg vor dem Monte Lepre rechts abzweigt. Unter einer alten Eichen legen wir ein Mittagsschläfchen in der Sonne ein. Weiter durch gewaltige Lavafelder, in denen sich die bewachsenen älteren Kegel wie Oasen des Lebens erheben. Am charakteristischen Monte Ruvolo entschließen wir uns erneut zu einer kleinen Gipfel-Exkursion. Waren wir eben noch in einer absoluten Einöde unterwegs, führt der Pfad nun steil durch gartenhaft anmutendes Grün bergauf und erreicht schließlich eine freie Fläche, von der die beiden Gipfel begangen werden kann. Wie entscheiden uns für die südliche Spitze und werden für unsere Mühen fürstlich entlohnt - wir fühlen uns hier oben wie im Paradies. Der Blick auf den Ätna und die umliegende Landschaft ist grandios, am meisten aber sind wir von der Lieblichkeit der Landschaft hier oben beeindruckt, die im starken Kontrast zu der harten und schroffen Umgebung steht.
Der E1 führt nun weiter auf einem breiten Weg sanft abwärts durch eine liebliche, gartenhaft wirkende Landschaft. Waren wir bisher kaum jemandem begegnet, treffen wir nun auf einige Tagesausflügler. Auch scheint die Ebene für Picknicks sehr beliebt zu sein. Unser Etappenziel, das Rifugio Piano dei Grilli ist mit dem Auto erreichbar und ein idealer Ausgangsort für Wanderungen und Ausflüge. Das Rifugio ist verschlossen, doch für den Abend sind wir hier mit Marco verabredet, der für uns aufsperrt. Bis dahin vertreiben wir uns die Zeit mit Faulenzen und machen einen kurzen Ausflug zur Grotta Della Neve. Diese fungierte lange als Eiskeller der Menschen aus Bronte. Hier und in weiteren Grotten gelagertes Eis wurde sogar exportiert.
Am Abend kommen wie versprochen Marco und Antonio, die uns sehr herzlich begrüßen und aufnehmen. Obwohl sie heute eine große Veranstaltung ihrer Organisation durchgeführt haben, sind sie angereist um uns aufzunehmen. Wir freuen uns auf ein kühles Bier und eine warme Mahlzeit. Antonio kocht für uns ein leckeres Abendessen und Marco, der für die Planung des gesamten E1 auf Sizilien verantwortlich ist, wird nicht müde, meine unzähligen Fragen zu beantworten. Ein unvergesslicher Tag neigt sich dem Ende - unvergesslich in Bezug auf den Charakter der Landschaft und der Gastfreundschaft und des ehrenamtlichen Engagements von Marco und Antonio für ihre Region, die Natur und den E1.
Und zum perfekten Abschluss sehen wir am nächtlichen Himmel zum ersten Mal den Gipfel des Ätna rötlich schimmern.
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Tag 7 - Rifugio Piano dei Grilli - Rifugio Ariel
Nach einem leckeren Frühstück ist es an der Zeit von Marco und Antonio Abschied zu nehmen. Bei strahlendem Sonnenschein geht es nun auf unserer letzten Tagesetappe zurück in Richtung des E1-Hauptweges, der Pista Altomontana. Schnellen Schrittes und angeregt plaudernd biegen wir hinter dem Monte Minardo falsch ab. Zum Glück bemerken wir unseren Fehler recht schnell und steigen den Weg zurück hinauf. Es geht überwiegend durch Wald an verschiedenen Kraterbergen vorbei, die jedoch kaum zu sehen sind. War der Weg gestern noch aussichtsreich und spektakulär, ist der Weg zurück zur Pista vergleichsweise langweilig, da aussichtsarm. So langsam wird uns bewusst, dass unsere Wanderung sich nun leider schon dem Ende nähert - zu gerne wären wir auf dem E1 weiter gewandert. Zumindest eine weitere Etappe bis Nicolosi wäre ja schon fertig markiert. Es geht nun stetig die über 500 Höhenmeter wieder hinauf, die wir am Vortag abgestiegen sind und wir kommen dem Hauptkrater wieder deutlich näher. Sobald wir den Wald verlassen haben, bieten sich auch endlich wieder Ausblicke auf Ätna und Umgebung. Auf Anraten von Marco steigen wir bereits unterhalb des Monte Fontanelle wieder zur Pista Altomontana hinauf. Diese führt bald auf einem breiten Fahrweg durch ein großes Tor aus dem Ätna-Park, wo wir ein Abschiedsfoto vom E1 machen und wenig später unser Tagesziel, das Rifugio Ariel erreichen.
Dort werden wir freundlich von unserem Gastgeber Giancarlo empfangen. Da das Wetter draußen allmählich umschlägt, machen wir es uns im Gastraum gemütlich und plaudern eine Weile mit Giancarlo, der uns viel vom Projekt "ETNA|re" erzählt, das er mit anderen Gastronomen und Nachbarn ins Leben gerufen hat, um den sanften Tourismus in der Region zu fördern. Draußen sind mittlerweile dichte Wolken aufgezogen und unvermittelt fängt es kräftig an zu schneien. Abends genießen wir unseren letzten Abend auf Sizilien bei sehr leckerem Essen und gutem Wein am prasselnden Kamin des Rifugio. Für den morgigen Tag haben wir mit Giancarlo einen Transfer zum Flughafen Catania vereinbart.
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Tag 8 - Rifugio Ariel - Monte San Leo
Draußen ist es grau und ungemütlich, aber wir würden viel lieber weiterlaufen, als den Vormittag faulenzend im Rifugio zu verbringen. Wir überlegen, ob es nicht möglich wäre in 2 Stunden so weit auf dem E1 weiter zu laufen, dass wir die Straße in Richtung Niclolosi und damit auch dem Flughafen erreichen. Ohne Gepäck sollte es möglich sein und zu unserer Freude willigt Giancarlo sofort ein, unser Gepäck im Auto zu transportieren und uns unterwegs einzusammeln.
Freudig, dass es für uns doch noch ein Stückchen auf dem E1 weitergeht verlaufen wir uns direkt nach dem Einstieg, finden aber schnell zum Weg zurück. Das graue, diesige Wetter und der zartweiße Hauch des frisch gefallenen Schnees verleihen der Landschaft nochmal einen gänzlich neuen Charakter. Schnellen Schrittes erreichen wir einen Hochseilgarten und steigen steil ab, bis wir unter uns zum ersten Mal die Serpentinen der "Via Etna" sehen, die sich durch schwarze Lavamassen schlängelt. Hier müssen wir immer wieder gut aufpassen, den Weg nicht zu verlieren, obwohl rot-weiße Markierungen vorhanden sind und der Weg insgesamt sehr gut markiert ist. Nach einem kurzen Stück entlang der Hauptstraße über die zahlreiche Busse Touristen in Richtung der Gipfel-Seilbahn karren führt der E1 wieder auf schmalem Pfad durch einen im Nebel märchenhaft wirkenden Wald. Hinter dem verschlossenen Rifugio Monte Manfre führt der Weg wundschön durch Lavafelder und lichte Ginsterhaine.
Wir sind froh, zumindest ein Teil der letzten derzeit markierten Etappe des E1 am Ätna kennen zu lernen, aber schließlich heißt es doch "Abschied nehmen". Am Monte San Leo erreichen wir den mit Giancarlo vereinbarten Treffpunkt. Nach einer abenteuerlichen Autofahrt durch tausende kleine Gassen und Nebentrassen erreichen wir schließlich den Flughafen von Catania.
Eine wunderbare Wanderwoche ist zu Ende und ich beneide Georg, der noch ein paar weitere Tage auf Sizilien bleiben wird. Ich freue mich, dass der Ätna gnädig zu uns war, alles so gut geklappt hat und wir so nette Begegnungen hatten. Ich freue mich schon jetzt auf ein Wiedersehen mit dem E1 auf Sizilien! Grazie e arrivederci!
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