Daniel Seekamp organisiert mit „E1 Hiking Tours“ Wanderungen auf dem E1. Aber auch sonst beschäftigt er sich intensiv mit dem Wanderweg und dessen Pflege. Im Interview erzählt er von seinen Tätigkeiten rund um den E1 und was ihn am Wandern reizt, er gibt Tipps für Fernwander-Einsteiger und verrät, dass auch Norddeutschland attraktiv zum Wandern ist.
Daniel, Du bist Inhaber von E1 Hiking Tours, was genau bietest Du damit an?
Gegründet habe ich die Firma mit der Idee, Gruppentouren auf dem E1 anzubieten. Ich hatte geplant, für Gruppen in sechs Zwei-Wochen-Blöcken Stück für Stück den E1 in Deutschland von Flensburg bis Konstanz zu durchwandern. Parallel dazu wollte ich auch in den Sommermonaten Touren in Nordskandinavien anbieten.
Ich habe mich dann aber auf Grund der Nachfrage vor allem um die Organisation von individuellen Touren gekümmert. Also Etappenplanung, Unterkünfte, Gepäcktransport, solche Geschichten. Pro Jahr plane ich so 3-5 Touren. Hauptsächlich sind diese auf dem E1, teilweise auch auf anderen Wegen wie dem Malerweg.
Parallel dazu biete ich auch Tagestouren über den Hochschulsport der Uni Hamburg an, das läuft auch über „E1 Hiking Tours“, hat aber mit meiner ursprünglichen Idee und dem E1 eher weniger zu tun. Wobei es auch da Überschneidungen gibt, z.B. habe ich im Sommer 2019 das erste Mal eine Gruppenreise auf dem E1 in Skandinavien über den Hochschulsport der Uni Hamburg durchgeführt.
Es kann mich aber auch jeder, der Fragen zum E1 hat anschreiben. Entweder per E-Mail oder auch bei Facebook oder im Forum auf Deiner Seite.
Wenn ich Fragen zu einem Abschnitt des E1 habe oder Hilfe bei der Planung benötige, kann ich mich also an Dich wenden? Gibt es bestimmte Abschnitte, auf die Du spezialisiert bist?
Ich habe den ganzen E1 im Blick, aber hauptsächlich den Abschnitt in Deutschland. Ich kenne z.B. verschiedene Hotels, von denen ich weiß, dass sie auch Leute für eine Nacht oder mit Hund nehmen. Es ist oft schwierig Hotels zu finden, die auch Hunde nehmen. Aber ich beschäftige mich auch mit den anderen Regionen. Also wenn jemand sagt „Ich möchte auf dem E1 durch Dänemark gehen“ – auch das habe ich schon gemacht.
Für eine Kundin habe ich einen großen Teil ihrer Wanderung durch Deutschland organisiert. Den Anfang in der näheren Umgebung ihres Wohnorts hat sie noch allein geplant. Vom Taunus bis nach Flensburg habe ich ihre Tour organisiert. Zusammen waren wir letztes Jahr dann in Norwegen. Sie wollte gerne nochmal hoch zum Nordkap wandern. Und dann sind wir gemeinsam im Fjell bei Narvik 10 Tage mit Zelt und allem Essen unterwegs gewesen. Und sie – die zuvor mit Gepäcktransport durch Deutschland gewandert ist - ist mit ihren 70 Jahren zum ersten Mal mit einem 16-Kilo-Rucksack durch die Berge gestapft und hat alles tapfer mitgemacht.
Du hast die Organisation eines Gepäcktransports erwähnt. Kannst Du uns dazu mehr erzählen?
Ja, den organisiere ich auch, teilweise bieten das auch die Hotels an. Aber der E1 verläuft nicht unbedingt in den klassischen Wanderregionen. Auf touristisch vermarkteten Wanderwegen gibt es oft Anbieter, die das machen, für den Heidschnuckenweg zum Beispiel. Auf dem E1 gibt es diese Anbieter eher nicht, da muss ich dann einen Gepäcktransport organisieren – oft per Taxi. Aber fast jeder, der eine Tour organisiert haben möchte, möchte auch einen Gepäcktransport, das ist schon ein recht großes Feld.
Geht es da um die reine Organisation oder begleitest Du die Gruppen auch – Du bist ja zertifizierter Wanderführer?
Ja, ich bin Wanderführer und würde mit den Kunden auch auf dem E1 wandern. Aber bisher sind es immer Anfragen von Leuten gewesen, die selber wandern möchten. Die bekommen von mir dann den GPX-Track, damit sie wissen wo sie langgehen müssen.
Gibt es Abschnitte, die besonders gefragt sind?
Die meisten fangen mit dem E1 im Norden an, daher kommen die meisten Anfragen für Schleswig-Holstein. Aber nur wenige schaffen den gesamten Weg durch Deutschland. Einige merken dann, dass zwei Wochen Wandern am Stück eine andere Belastung darstellen als sie es kennen.

Ich stelle es mir schwierig vor, auf Grund einer Anfrage Etappenlängen richtig einzuteilen. Musst Du erstmal die Leistungsfähigkeit einer Gruppe in Erfahrung bringen?
Klar, ich kläre erstmal ab, wie viel die Kunden im Schnitt gehen wollen. In vielen Regionen sind die Etappenlängen vorgegeben, da es zwischendurch keine Unterkünfte gibt. Gerade in Schleswig-Holstein gibt es oft große Abschnitte ohne Unterkunft.
Aber manchmal kann mich sich auch vertun, selbst wenn man relativ erfahren ist. In Skandinavien habe ich im letzten Jahr eine Tour mit durchschnittlich 18 Kilometern am Tag geplant. Ich dachte, das kommt ja locker hin. Meine Wanderpartnerin scherzte anfangs noch: „18 Kilometer! Und was machen wir den Rest des Tages?“. Im Endeffekt waren wir den ganzen Tag unterwegs. Da sind wir mit 2km/h im Schnitt 9 Stunden unterwegs.
Hast Du Tipps für Menschen, die herausfinden wollen, ob das Fernwandern überhaupt etwas für sie ist?
Meine erste Wandertour war auf dem E1 und ich habe so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Ich habe eine 6-Tages-Tour geplant mit fast 30-Kilometer-Etappen. Ich habe damals noch nicht die Hilfsmittel wie Komoot und GPX-Tracks gehabt. Nach dem ersten Tag hatte ich Blasen, nach dem sechsten Tag eine Sehnenscheidenentzündung, bin tagelang eigentlich nur rumgehumpelt. Ich habe festgestellt, dass man vor einer Tour auch Pediküre machen sollte – teilweise schnitt sich bei mir der Zehennagel in den Zeh.
Bevor man so eine lange Tour macht, sollte man auf jeden Fall mit Tagestouren anfangen um herauszufinden, wie viel man am Tag schafft. Dann Wochenendtouren. Am Anfang würde ich auch nicht mehr als 20 Kilometer am Tag einplanen.
Als es bei mir darum ging, mit Zelt unterwegs zu sein, da habe ich auch erstmal mit einer Zweitagestour in der Nähe angefangen und habe dann mal eine Viertagestour in Schweden ohne Infrastruktur gemacht, bis ich mir dachte: „OK, jetzt bin ich fit für 10 Tage Norwegen im Fjell“. Man muss sich langsam rantasten.
Ich würde nicht erstmal für 300 Euro Schuhe und Ausrüstung kaufen, um dann festzustellen „ach nee, das ist gar nicht mein Ding“. Lieber erstmal mit dem was man hat, z.B. Turnschuhen losgehen und langsam steigern.
Gibt es einen Abschnitt des E1, den Du Einsteigern empfehlen würdest?
Das Schöne am E1 ist, dass er auf seinem Weg quer durch Deutschland bei vielen Leuten mehr oder weniger direkt vor der Haustür entlangläuft. Wandern an sich ist eine schöne Tätigkeit und es bedarf nicht unbedingt immer einer abwechslungsreichen Landschaft oder besonderer Höhepunkte. Am E1 zählen auch die Kleinigkeiten am Wegesrand oder der Baustil auf den Dörfern, der sich im Verlauf verändert. Beim Wandern nimmt man die Dinge ganz anders wahr, als z.B. beim Autofahren. Selbst mit dem Fahrrad ist man deutlich schneller und nimmt viele Nuancen weniger wahr. Ich würde daher niemandem sagen: „Oh, wenn ihr anfangen wollt zu wandern, ist dies oder das eine tolle Gegend.“, sondern „fangt bei euch vor der Haustür an!“.
Was ist für Dich das Besondere am E1?
Er läuft bei mir an der Haustür vorbei, es ist der Weg, auf dem ich angefangen habe zu wandern. Die Idee dazu kam, als ich die Markierung gesehen habe und dachte „Was ist das eigentlich?“ und ein wenig recherchiert habe. Ich fand die Vorstellung, dass dieser Weg einmal quer durch Europa geht faszinierend. Ich bezeichne mich gern als "Generation Erasmus". Ich habe im Ausland studiert und bin mit der EU groß geworden. Die Idee des einen Europa, das von diesem Weg durchquert wird, hat mich fasziniert. Ich finde es ist ein schönes Lebensziel, es einmal vom Nordkap bis nach Sizilien zu schaffen.
Wie bist Du auf dem E1 unterwegs? Läufst Du in großen Stücken oder in eine bestimmte Richtung? Was sind Deine Pläne?
Als ich mit dem E1 angefangen habe, bin ich jedes Jahr ca. sechs Tage darauf gelaufen. Dann wollte ich regelmäßiger wandern gehen und bin die näheren Abschnitte als Tagestouren gegangen und gelegentlich Mehrtagestouren ein bisschen weiter weg. Nach und nach habe ich immer mehr nahe gelegene Europäische Fernwanderwege oder regionale Wanderwege kennengelernt. Ich war auf dem E1 im letzten Jahr in Norwegen und zuvor auch im Schwarzwald unterwegs. Ich laufe dort, wo es sich gerade ergibt. Es müssen nicht bestimmte, zusammenhängende Abschnitte sein. In Deutschland bin ich im Norden in Strande und im Süden in Willebadessen angelangt. Das lässt sich von der Hamburger Ecke nicht mehr unbedingt als Tagestour machen.
Bei der Wahl der Richtung achte ich allerdings darauf, dass ich immer von zu Hause weggehe. Ich mag dieses Gefühl in die Ferne zu gehen.
Ich möchte irgendwann den gesamten E1 erwandern, auch wenn ich mittlerweile auch viele andere Fernwanderwege angefangen habe, die ich nach und nach fortsetze.
Wie navigierst Du unterwegs? Nutzt Du klassisches Kartenmaterial oder eher digitale Hilfsmittel?
Inzwischen bin ich rein digital unterwegs. Ich habe mir für Norwegen ein GPS-Gerät zugelegt, habe aber festgestellt, dass für Tagestouren das Handy ausreicht. Für Mehrtagestouren ohne Strom ist ein GPS-Gerät schon ganz hilfreich. Aber angefangen habe ich ohne Karte, aber mit einem Wanderführer, dem „Krause“, das hatte etwas mehr von Abenteuer: Wo ist die nächste Markierung? Man weiß nicht genau, wo man hingeführt wird. Die digitalen Hilfen nehmen ein bisschen den Abenteuercharakter, aber sind schon ganz hilfreich, gerade wenn die Markierung mal nicht mehr so gut ist.
Norddeutschland ist nicht allen als besonders attraktive Wanderregion bekannt. Findest Du das Wandern dort reizvoll?
Doch, auf jeden Fall. Als ich bei der Uni Hamburg angefragt habe, einen Wanderkurs anzubieten, waren die erstaunt, dass dieser nicht etwa im Harz, sondern im Hamburger Umland stattfinden sollte. Aber es gibt wirklich viele schöne Ecken im Norden. Es müssen nicht unbedingt die Berge sein, es geht vor allem darum ein bisschen aus der Zivilisation heraus zu kommen. Das kann auch ein Naturschutzgebiet in Hamburg sein. Ich höre oft den Spruch „Ich wohne schon ewig in Hamburg, aber hier war ich noch nie.“ Sobald der Zivilisationslärm weg ist entspannt man schon. Das Wendland ist eine Gegend mit einer schönen Ruhe, da wandere ich besonders gerne. Am hohen Elbufer Richtung Lauenburg stellt sich fast schon Mittelgebirgsgefühl ein. In Bezug auf den E1 fällt mir das wunderschöne, abgeschottete und vom Wald gesäumte Hellbachtal südlich von Mölln ein. Ein kleines Naturparadies. Auch die Lüneburger Heide ist wunderbar.

Würdest Du sagen der Weg ist bekannt und es sind viele Leute darauf unterwegs?
Ich glaube er ist bekannter als man denkt. Der sehr bekannte Heidschnuckenweg in meiner Nähe verläuft z.B. auch auf dem E1. Wenn ich dort Leute ansprechen sagen sie oft, dass sie den E1 und nicht den Heidschnuckenweg laufen. Aber man begegnet insgesamt doch wenigen Menschen, da man häufig in dieselbe Richtung unterwegs ist. Es gibt nicht unbedingt ein Camino-Feeling, wo man sich abends trifft oder zusammen wandert. Aber gelegentlich trifft man schon jemanden, mit dem man sich austauschen kann.
Du engagierst Dich auch für die E-Wege. Wie sieht dieses Engagement aus?
Seit letztem Jahr markiere ich den E1-Abschnitt zwischen der ehemaligen Karlsteinschänke und Handeloh. Ansonsten bin ich auch im deutschen Wanderverband in einer Arbeitsgruppe, die die E-Wege digitalisiert und auf europäischer Ebene hochgespielt hat. Ich glaube, in diesem Jahr soll im Kompass-Verlag eine Karte mit allen europäischen Fernwanderwegen auf Grundlage dieser Daten erscheinen. Die ERA-EWV-FERP (Europäische Wandervereinigung) ist dabei, die einzelnen E-Wege etwas besser auf ihrer Webseite darzustellen, daran bin ich ebenfalls beteiligt.
Kannst Du uns ein wenig mehr zur Wegemarkierung erzählen?
In den meisten Teilen Deutschlands sind die Wandervereine für die Markierung zuständig. In jedem Gebiet muss es Freiwillige geben, die sich um einen Abschnitt kümmern. Es ist oft schwierig Leute dafür zu finden. In den Wandervereinen sind in der Regel ältere Leute, da fehlt es ein bisschen am Nachwuchs. In Buchholz in der Nordheide sind wir noch relativ gut dran, weil viele Menschen zu uns ziehen, aber in Schleswig-Holstein gibt es größere Probleme. Daher der Aufruf: Geht in die Wandervereine oder bietet eure Hilfe an, vor Ort zu markieren!
Bei der Markierungsarbeit sollte jeder Weg einmal im Jahr begangen und die Farbe, bzw. die Aufkleber erneuert werden. Man ist beim Markieren natürlich nicht so schnell, wie beim Wandern. Eine halbe Tagesetappe schafft man vielleicht, ca. 12 Kilometer. Das wären dann ca. 6 Kilometer hin und wieder zurück am Tag. Es ist nicht so, dass man das nebenher beim Wandern erledigen kann.

Besteht aus Deiner Sicht die Gefahr, dass ein unkommerzieller, nicht durch die Tourismusverbände finanzierter Wanderweg wie dem E1 irgendwann die freiwilligen Helfer ausgehen und er in Vergessenheit gerät?
Ich glaube ja. Das ist ein Problem. Durch Technologien wie GPX-Tracks kann natürlich auch dort gewandert werden, wo keine Markierungen mehr vorhanden sind, aber die Markierungen sind schon wichtig. Man will ja auch nicht unentwegt auf sein GPS-Gerät starren.
Vielen Dank für das Interview und auf für Deine zahlreichen Beiträge als aktives Communitymitglied bei Hiking Europe!

Daniel Seekamp lebt in Buchholz in der Nordheide und organisiert mit "E1 Hiking Tours" Wanderungen auf dem E1.
Webseite von "E1 Hiking Tours"
"E1 Hiking Tours" bei Facebook