Lena und Thilo aus Darmstadt haben 2016/2017 Ihren Traum von einer Wanderung auf dem gesamten Europäischen Fernwanderweg E1 verwirklicht. Sie haben dabei eine über 8.000 Kilometer lange Strecke zwischen dem Nordkap und dem Capo Passero auf Sizilien zurückgelegt. Im Interview berichten sie von dieser außergewöhnlichen Fernwanderung.
Wie seid ihr auf den E1 aufmerksam geworden und was hat euch an diesem Weg besonders gereizt?
Thilo: Wie wir den E1 „kennengelernt“ haben, weiß ich gar nicht mehr genau. Auf jeden Fall hat uns daran gereizt, dass es einmal längs durch Europa geht und ein großer Teil durch das skandinavische Fjäll verläuft – eine Gegend die uns besonders gut gefällt.
Wie sieht es mit Eurer Erfahrung auf einem Fernwanderweg aus? Habt ihr zum ersten Mal eine so lange Wanderung unternommen?
Lena: Der E1 war unsere erste richtig lange Wanderung. In Urlauben waren wir aber schon häufiger 2-3 Wochen am Stück wandern. Das hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir das unbedingt mal länger machen wollten. 😀
Über welchen Zeitraum und wie habt ihr eure Wanderung geplant?
Thilo: Wir haben lange Zeit im Kopf gehabt, so etwas zu machen, aber eben nur als vage Idee. In 2014 haben wir uns dann dazu entschlossen, unseren Traum auch in die Realität umzusetzen. Ab da wurde es konkreter, aber die richtige Planung hat vielleicht ein knappes Jahr vorher angefangen. Der Hauptteil war die verschiedenen verfügbaren Informationen über den E1 zusammenzusuchen – deine Seite war damals noch nicht ganz komplett 😉
Wie habt ihr unterwegs navigiert und euch in den verschiedenen Ländern verständigt?
Lena: Zur Navigation hatten wir ein GPS (und teilweise auch Karten) dabei. In Skandinavien haben wir uns auf englisch verständigt, dann kam ja Deutschland und die Schweiz. Ab dem Tessin und in Italien lief unsere Verständigung dann meist mit Händen und Füßen. Das hat aber auch recht gut geklappt.
Was ist für euch das Besondere an einer so langen Fernwanderung?
Thilo: Das Spezielle an einer so langen Fernwanderung – im Vergleich zu einer „kurzen“ Fernwanderung – ist sicher, dass man über lange Zeit draußen und im Zelt zuhause ist. Man muss das also wirklich wollen und sich nicht nach 2-3 Wochen in die warme Wohnung zurückwünschen. 😀
Lena: Das Tour-Leben wurde so richtig zum Alltag und man war eben nicht „nur im Urlaub“. Genau wie im Arbeitsalltag hatten wir unsere Routinen, nur eben andere: Zeltabbauen & Packen, viele Stunden wandern und abends Zeltplatz-Suche, Quartier einrichten, kochen und Schlafen.
Hattet ihr bestimmte Wünsche und Erwartungen an euer großes E1-Abenteuer? Welche Wünsche haben sich erfüllt und was war vielleicht doch ganz anders als gedacht oder erhofft?
Lena: Konkrete Wünsche hatten wir ehrlich gesagt keine. Wir waren neugierig und wollten einfach eine gute Zeit haben. Vor dem Loslaufen erschien uns unser Vorhaben immer noch so abstrakt.
Der Plan, den E1 zu laufen, war die bisher beste Entscheidung unseres Lebens. 😀
Was waren für euch die Highlights eurer Wanderung?
Thilo: Es gibt eigentlich nicht „das“ Highlight – grundsätzlich war es toll, so lange draußen und unterwegs zu sein. Und natürlich auch so viele hilfsbereite Menschen zu treffen und kennenzulernen, damit hatten wir nicht gerechnet.
Auf einer so langen Wanderung gibt es sicherlich auch Tiefpunkte. Könnt ihr solche benennen und wie seid ihr damit umgegangen?
Lena: Wir hatten mehrmals körperliche Wehwehchen (z.B. entzündeter Hüftknochen von Thilo durch den Rucksack oder Fußschmerzen von Lena) wegen derer wir pausieren mussten. Das hat uns immer ziemlich frustriert, wenn wir nicht wussten, wie bzw. ob es mit unserer Wanderung weitergeht.
Ansonsten gab es noch einige Herausforderungen wie z.B. schlimme Gewitter, schwierige Flussquerungen in Norwegen oder freilaufende Hütehunde in Italien. Aber das gehört zu so einer Tour wohl dazu.
Gibt es Dinge, die ihr anders machen würdet, wenn ihr noch einmal eine derart lange Fernwanderung plant und unternehmt?
Thilo: Ehrlich gesagt wenig. Für unsere nächste Wanderung würden wir aber tatsächlich versuchen mit noch leichterem Gepäck unterwegs zu sein, um die körperlichen Wehwehchen zu vermeiden.
Könnt ihr eure Ausrüstung beschreiben, mit wie viel Gepäck wart ihr unterwegs und hat sich eure Ausrüstung im Verlauf der Wanderung geändert? Habt ihr Tipps, was man unbedingt mitnehmen oder zu Hause lassen sollte?
Thilo: Wir hatten im Wesentlichen das dabei, was wir auch bei einem 2-3 wöchigen Urlaub dabeihaben. Zusätzlich dann aber noch „Luxusgegenstände“ wie E-Book Reader oder einen MP3-Player. Inklusive Essen für 16 Tage bin ich am Nordkapp mit ca. 23 kg gestartet und Lena mit ca. 17 kg. Wir haben natürlich ein paar Sachen ersetzen müssen, die im Laufe der Zeit kaputt geben. Viel ist aber konstant geblieben und wir haben erst in Italien unsere Daunenjacke heimgeschickt und dünnere Schlafsäcke gekauft.
Generell sollte man gerade in Skandinavien immer Zelt, Schlafsack und Co dabeihaben, da es dort nicht immer Übernachtungsmöglichkeiten gibt – für uns war aber das Zelten ohnehin ein wesentlicher Bestandteil der Tour. Und beim Packen sollte man sich genau überlegen, was man wirklich braucht. Wenig Gewicht auf dem Rücken ist einer der größte „Luxusgegenstände“, den man beim Wandern haben kann.
Zur Umsetzung der Wanderung habt ihr eure Bürojobs zwischenzeitlich aufgegeben. War es schwierig, diesen Schritt zu tun? Wie konntet ihr eure Arbeitgeber überzeugen?
Lena: Nach dem wir für uns die Entscheidung getroffen hatten, für einen so langen Zeitraum wandern zu gehen, war es gar nicht so schwer wie wir vorher dachten. Unsere Arbeitgeber hatten bis dahin keine offiziellen Sabbatical-Programme. Trotzdem hatten wir Glück und die Unterstützung unserer Vorgesetzten, sodass wir nach dem E1 wieder normal weiterarbeiten konnten.
Fiel es euch schwer, nach der E1-Wanderung wieder in eure Jobs und das geregelte Leben zurückzukehren?
Thilo: Ehrlich gesagt ja – das war am Anfang ziemlich schwer. Für sicher 2-3 Monate haben wir damit gekämpft, bevor wir uns wieder daran gewöhnt hatten. Aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier und daher ging es auch bald wieder 😉
Welche Tipps habt ihr für Menschen, die den gesamten E1 am Stück laufen wollen? Habt Ihr Tipps zur Reiseplanung?
Lena: Wenn uns Leute mit solchen Plänen anschreiben, empfehlen wir zur Wegplanung immer deine Seite. 😀 (Vielen Dank dafür!) Und grundsätzlich: einfach loslaufen! Nicht zu viele Gedanken machen.
Thilo: Generell würde ich schon sagen, dass man vorher mal ein paar längere Touren mit Zelt gemacht haben sollte. In Skandinavien gibt es Teilstücke, die komplett weglos sind und wo man sich im Gelände zurechtfinden muss. Und bei so einer langen Tour entscheidet am Ende die „mentale Ausdauer“ – d.h. man sollte schon Durchhaltevermögen haben. 😀
Habt ihr Pläne für weitere Abenteuer?
Lena: Eigentlich haben wir geplant ab Mitte Mai diesen Jahres wieder auf Tour zu gehen. Diesmal vom nördlichsten Festlandspunkt Europas in Norwegen bis zum südlichsten in Spanien über Finnland, das Baltikum, Polen, Deutschland, Schweiz und Frankreich….
Thilo: Natürlich steht das jetzt alles ein wenig in den Sternen.* Wir hoffen noch, dass wir im Sommer trotzdem loskommen…
Lena und Thilo
Mehr zur E1-Wanderung von Lena und Thilo findet ihr in ihrem Blog:
https://e1-wanderung.wixsite.com/lena-thilo
* Anmerkung: Das Interview wurde im März 2020 während der Corona-Pandemie geführt, während der es zu großen Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungs- und Reisefreiheit kommt.